Sonntag, 26. September 2010

Ein wahrer Flohzirkus

Hier in Berlin, der Metropole der Freigeister, Flohmarkt-Junkies und Zugezogenen, ist aber auch wirklich immer was los. Wie zum Beispiel letzte Woche. Da fand doch tatsächlich mitten in Mitte ein brandheißes Event statt, über das man natürlich nur, very special, über Einladung oder Mundpropaganda erfuhr. So spazierte auch ich über die vierspurige Straße, vorbei an den Gebäuden der Berliner Wasser Betriebe, direkt in das Kabüffchen nah am Wasser. Schon vom Eingang her vernahm ich lautes, Maschinengewehr-artiges Rattern. In diesem leicht hektischen Takt ging ich nun die schmale Wendeltreppe hinauf in den ersten Stock, vorbei an groß gewachsenen Frauen mit stramm gebundenen Dutte, "Oh, I'm so vintage"-Brillen und Pampers-Hosen im floralen Print. Awesome. An der Tür verwies ein Schild mit der Aufschrift "Bitte lächeln, hier wird fotografiert", auf eine lustige Runde. Und das Rattern, das ich an der Eingangstür bereits vernahm, bekam ein Gesicht: In einem der vielen Räume saßen an die sechs junger Frauen an alten Nähmaschinen, besessen davon, ein echtes Meisterwerk zu erschaffen. Ok, dachte ich mir, Nähen ist ja nicht so wirklich meine Stärke, und wanderte in den zweiten Raum. Dort stieß ich auf überaus wichtige Menschen. Sie machten zumindest solch einen Eindruck auf mich, so angestrengt wie sie sich mit ihrem Gläschen Wein in der Hand unterhielten.

Da wollte meiner einer natürlich nicht stören und so schlängelte ich mich schnurstracks durch den langen Flur. Am Ende stieß ich auf einen großartigen DJ. Prinz Zottel, so möchte ich ihn einfach mal ganz spontan taufen, saß Haareschwingend vor seinem Laptop und zog sich seine neumodischen Sounds, frisch von der klitzekleinen Lacie-Festplatte. Wer braucht heute schon noch Vinyl, nicht? Als besonders bezaubernd, blieb mir jedoch nicht sein Antlitz oder die hammergeile Performance am Laptop im Gedächtnis, sondern sein engelsgleicher, ach, was sag ich, eunuchenhafter Gesang.

Total begeistert, ging es nun für mich raus vor die Tür, schließlich erwartete ich noch meine Lieblingskollegin, die mich schließlich zu diesem Event gebracht hat. Als wir uns noch mal gemeinsam von den musikalischen Künsten des DJs überzeugen wollten, wurden wir von einem beschaulichen "Sit-In" am Eingang am Betreten des Gebäudes gehindert. Eine riesige Frau - ihr bombastisch-großes Gesicht zeigte eindeutig slawische Züge und erinnerte mich wahnsinnig an eine Puppe, die ich zu Kindertagen besaß - stieß plötzlich laute heraus, die ich sonst nur von einer Transe erwartet hätte. Die Rede ist hierbei von der Tonart, einen gehörigen Bass hatte die Dame drauf. Zu ihrer Linken stand eine farbige Femme Fatal mit einem Reklamheftchen in der Hand. Nur daraus Vorlesen wollte sie irgendwie nicht. Auf jeden Fall hinderten sie uns mit bedrohlich tiefen Stimmen vom erneuten Betreten der Veranstaltung. Hypnotisiert von ihren alkoholreichen Atem und den tiefen Stimmen, schritten wir von dannen, vorbei an floralen Prints, Skinny-Indie-Boys und wilden Lolitas, verrückten Flohmarkt-Miezen und magersüchtigen Size-Zero-Models... Byebye Flohzirkus.

Donnerstag, 16. September 2010

Was Nichtskönner so alles können

Sie sind einfach überall, in jedem Büro, in jedem Zwei-Mann-Betrieb, in jeder Werbeagentur, in jeder Firma, in jeder Stadt, in jedem Land: Nichtskönner. Diese raffinierten Wesen verstehen sich darauf, ihr nicht vorhandenes Wissen perfekt hinter einem breiten Grinsen zu verstecken, während sie dich genüsslich und unauffällig aussaugen. Dein Wissen ist ihr Begehren, deine Gaben, die sie niemals besitzen werden, dein Können. Sie selbst können ja wie gesagt nichts. Vielleicht zählt eventuell Nasebohren zu ihren Stärken... oder das Herauspressen ihrer Kackwurst... aber ansonsten ist bei ihnen Hopfen und Malz verloren.

Sie klauen deine Ideen, um sie als ihre zu präsentieren, sie knüpfen ständig neue Kontakte, um dir ein paar Schritte voraus zu sein. In unglaublicher Geschwindigkeit, wachsen diese Kreaturen zu Menschenfressenden Monstern heran, die dazu fähig sind, dich mit einem einzigen Wimpernschlag zu vernichten.

Das können sie, die Nichtskönner.

Mittwoch, 15. September 2010

Wie schön, dass wir so special sind

Es gab mal eine Zeit, in der wir uns nicht durch ein Apple-Produkt definierten, indem es nicht als schick galt, sich einen Salat für acht Euro einzupfeifen oder den unglaublich einfallsreichen Beruf eines Bloggers auszuleben. Halten wir uns das Elend unserer Gesellschaft doch mal vor Augen: Wir haben uns "materalisiert".

Früher hat man es sich daheim mit einem schönen Buch gemütlich gemacht. Dann zog es einen in die kommerziellen Coffee-Shops, wo wir den ursprünglichen D-Mark-Preis nun für einen Latte Medium mit Bla und Blubs bezahlen müssen. Schmeckt zwar nicht anders als früher, ist aber heute natürlich etwas ganz tolles. So was gönnt man sich eben. Das gute alte Buch wurde mittlerweile auch durch ein i-Pad eingetauscht,schließlich möchte man up-to-date bleiben, mit dem Strom schwimmen und sich mit dieser affigen Hightech-Innovation brüsten.

Da sitzt man nun, mit seinem i-Pad, hört beim "Lesen" Musik mittels seinen i-Pods, schlürft seinen Kommerz-Kaffee, isst sein "vegi" Bio-Sandwich - danach verleibt man sich natürlich noch ein saftiges Steak ein, denn wirklich vegetarisch leben, oh nein, wo käme man dann denn hin. "Vegi" ist in und das nicht nur, seitdem sich die semi-talentierte Schauspielerin Neldel in der Werbung eines Süßwarenherstellers für vegetarisches Gummizeug stark macht.

In der Mittagspause mal schnell das Butterbrot, das man sich mit Liebe Zuhause belegt hat, zu verspeisen - undenkbar. Man begibt sich lieber mit oberflächlichen Bekanntschaften, die man via Zufallsprinzip oder dem "Wer bringt mir nun was?" zuvor ausgewählt hat und begibt sich nicht in irgendeine Kantine. Gott, wo kämen wir denn da hin, Glutamat-Fraß ist doch so 90er!

Nein, man flaniert in eine Suppenbar oder eine Boutique, die sich auf das Machen von Salaten beschränkt hat. Die Einrichtung - total hip, mega-puristisch und steril, da ist es einen egal, dass man seine wertvolle Freizeit auf einer Art Holzinstallation verbringt, die noch unbequemer ist, als der ungeliebte Bürostuhl.

Und da sind sie wieder, all die saucoolen Menschen mit ihren elektronischen Wundern, die ihnen ein besseres Leben bescheren sollen. Ein i-Pad ist heutzutage so was wie damals der Porsche eines Mannes. Eine bloße Penisprothese und für die Frau die gesponserten Kunsttitten vom Sugardaddy oder der junge Toyboy.

Na, schütteln Sie mit dem Kopf? Können Sie Ihren Augen bei diesen Zeilen nicht trauen?

Ich sage ja nicht, dass "früher" alles besser war, der Generation gehöre ich rein altersspezifisch schon gar nicht an. Klar ließ ich mich auch zu einer Zeit vom ach so genialen Mac Book Air faszinieren, ohne darüber nachzudenken, dass dieser Laufwerklose Apparat ja völlig sinnlos ist und nur der Egobalsamierung gilt.

Peinlich, diese Gesellschaft.

Sonntag, 12. September 2010

Schwiegertochter gesucht - die Rückkehr der Muttersöhnchen-Mutanten

"Ja, kann das denn wahr sein", schießt es einem durch den Kopf, nachdem man nur wenige Minuten des TV-Knüllers "Schwiegertochter gesucht" gesehen hat. Da erweisen sich "Daheimgebliebene" zwischen dreißig und vierzig Jahren die Ehre. Echte Mannsbilder, die es immer noch nicht von Muttis Rockzipfel weg geschafft haben. Aufgrund ihres Erscheinungsbildes könnte man die Bengel als "hoffnungslose Fälle" deklarieren und die Akte Schwiegertochter gesucht schließen. Doch ganz im Gegenteil, liebe Freunde des Hartz IV-Fernsehens. Den Kerlen wird so einiges geboten. Mollige, männerhungrige Damen, in der Blüte ihres Alters. Meist befinden sie sich noch in den Zwanzigern und sind jetzt schon so hoffnungslos, dass sie ihr Glück bei einer Fernseh-Show suchen müssen.

Nicole und Angie bewarben sich beispielsweise für den adretten Carsten. Dieser bevorzugt langhaarige Damen mit schwarzen Haaren. Nageldesignerin Angie trägt ein fesches Tattoo auf ihrer Brust, rabenschwarzes Haar, das schon mehrere Dauerwellen erlitten haben muss und kokettiert mit einem matt bemalten Mund und heißem Glitzersteinchen am Schneidezahn. Blingbling. Ihr Lieblingsthema ist Sex, ihre Lieblingsklamotte Leder und so bemüht sie sich in jeder Gelegenheit, ihrem Angebeteten an die Wäsche zu gehen.

Beim knuffigen Mario geht es etwas gesitteter zu. Der begeisterte Carpendale-Fan setzt sich in der Freizeit mit Liebe ein fesches Deckhaar auf die Halbglatze und trällert seinen Eltern was vor. Diese scheinen im übrigen seine größten Fans zu sein, die Hingabe, mit der sie klatschen und den Background bilden ist wirklich bemerkenswert. Doch nicht nur seine Sangeskunst begeistert jung und alt, auch sein liebevoll geformter Mett-Igel, der bei 35 Grad auf dem Gartentisch eine leicht bräunliche Farbe annimmt, fraß sich gleich in die Herzen seiner Bewerberinnen.

Seine Vollweiber sind ihm von Anfang an voll und ganz verfallen und ziehen ihn mit ihren Blicken aus. Der ist aber auch sexy, der Gute.

Das absolute Highlight ist jedoch ein Wiedersehen mit unserem Bolognese-Luder Michaela,

die gleich mal ihre ganze Familie mit zum ersten Zusammentreffen nimmt. Die dünnlippige Traumfrau hat eine ziemlich bewegte Vorgeschichte. Denn sie mag nicht nur Bolognese und Glasmalerei, sondern geht auch gerne mal mit Internet-Bekanntschaften fremd. Also, Vorsicht ist geboten, lieber Supernerd, äh, Peer. Doch wenn sie sein Herz wirklich erobern möchte, sollte sie sich hüten, dem Peer erneut Tränen in die kleinen Äuglein zu zaubern. Ja, ihr lest richtig, sie bringt die Männer zum heulen, erniedrigt sie mit Gefühls-Fragen - sie möchte ihre Errungenschaft einfach nicht teilen.

Aber der Sender hat auch ein Herz für Kleinwüchsige. So sucht nun auch ein kleiner Mann seine kleine Traumfrau. Es bleibt also spannend.

Fernsehen macht hässlich

Werbung - sie verspricht wirklich so einiges. Haare wie Nina E., ein Gesicht wie Frauke L., das Lächeln einer Annemarie W. und die satte Haarfarbe einer Berben. Der helle Wahnsinn. So möchte doch sicherlich jede Frau die pure Langweile auf dem Kopf tragen, mit einem Profil eines Schnabeltiers herumspazieren und anstatt zu lachen herzhaft wiehern. Das Haar glänzt derweil im toten Rabenschwarz. Toll. Die Amerikaner werben lieber mit "echten" Schönheitsidealen - wie die ewig junge Jane Fonda oder die knackige Eva Longoria. Letztere wirft dann mal gerne ihre Extensions ins Bild und strahlt dabei wie eine Eins.

Und auch Frauenschwarm Patrick Dempsey schmiert sich semi-teure Kosmetika im Namen der Schönheit ins Gesicht. Aber nein, wir im Deutschen Fernsehen wollen uns lieber mit einer schlecht synchronisierten Hunziker zufrieden geben und uns an ihrem inszenierten Haarschwung erfreuen. Ein Träumchen.

Der Trend in der Fernsehwerbung scheint vom subtilen Interview von rein zufällig ausgewählten Passanten, die Markennamen mit Bravur falsch aussprechen und professionell wie ein Leihe in die Kamera stottern, abgelöst zu werden. So begegnen uns vielleicht bald schon bald der Gummibärchen-Gott mit dem Schalk im Nacken als Testimonial für natürliche Verhütungsmethoden und unser ehemaliges Goldfischlein als Binden-Königin? Man weiß es nicht. Doch für Geld machen Promis, die gerne mal im Gespräch bleiben wollen, doch bekanntlich alles, oder?

Sarrazin in aller Munde - bitte einfach ausspucken und nicht mehr darüber sprechen

An jedem Zeitungs-Aufsteller, auf jedem Sender, in jedem Boulevardblättchen, in jedem seriösen Lesestoff - er ist einfach überall, in aller Munde: Sarrazzin. Ein Ossi mit stattlichem Lebenslauf, der sich vermutlich in all den Schlagzeilen über sich all morgendlich zu suhlen pflegt. Doch viel schlimmer, als täglich in seine schnauzbärtige Visage zu blicken, mit erschrockener Mine, wie nach einem schrecklichen "letzte Nacht"-Erlebnis, ist ein Artikel, über den ich mir nun mit Vergnügen das Maul zerreissen werde.

Der abenteuerlustige Reporter versuchte nämlich die Thesen Sarrazins mit einem gewagten Kurztrip in den Problembezirk Neukölln zu belegen. Dafür gebührt im schon tosender Applaus und jede Menge Respekt. Er traute sich sogar an den von Dealern besetzten Herrmannplatz. Diese, so der Verfasser, sollen sich genau vor Karstadt tummeln. Was würde nur Berggruen dazu sagen? Überall blickte der arme Mann nur in finstere Mienen, spürte hier und da schon eine Faust im Gesicht und durchlebte schier Qualvolles.

Sein Resumee aus dem schaurigen Besuch: Aus Sarrazzin spricht die nackte Wahrheit.

Und bei solch einem einseitigen Artikel traut sich der bebrillte Reporter auch noch auf der Titelbild der Online-Ausgabe. Na, wollen wir mal hoffen, dass es dafür nicht eins aufs Maul gibt. Murat, meinen Segen hast du.

Freitag, 10. September 2010

Ghettokids - Willkommen am Abgrund unserer Gesellschaft

Da wird einem als Frau immer und immer wieder gepredigt, doch bitte schleunigst Kinder in die Welt zu setzen. Die Geburtenrate muss schließlich irgendwann mal eine gewisse Konstanz erreichen. Doch lohnt sich wirklich all der Schweiss, die Schmerzen und fiesen Schwangerschaftsstreifen, wenn der kleine Georg am Frühstückstisch plötzlich "Ey, leck mich doch, Alta" zu seinem Vater sagt? Die Brut von heute ist wahrlich auf dem "Ghetto"-Trichter gekommen und beendet nichtssagende Sätze gerne mal mit einem flapsigen "Schiesch". Was auch immer das zu bedeuten hat. Es ist auf jeden Fall ungemein respekteinflösend. Ghettokids tarnen sich meist hinter einem niedlichen Gesicht, dicken Pausbäkchen und wuschigem Haar. Doch ein Mal das Maul aufgemacht, will man seinen Ohren gar nicht mehr trauen. Da fragt man sich doch gleich, ob da wirklich das eigene Blag, oder bloß Murat vom Dönerstand gegenüber vor einem steht.

Früher haben Eltern noch bei den Wörtern "krass" oder "geil" die Augen verdreht, heute müssen sie sich mit "F**** deine Mutter" und anderen geistreichen Dingen auseinander setzen. Ja, haben die Kinder denn gar keinen Respekt mehr vor der Deutschen Sprache?, würde sich da ein schnauzbärtiger Herr, der momentan für ordentlich Aufregung sorgt, fragen.

Schon allein wie die Kids ganze Sätze grammatikalisch umwerfen können - das ist schon eigentlich eine Kunst für sich. Vorhin saßen zwei kleine Jungs, sie mögen vielleicht elf oder zwölf gewesen sein, vor mir im Bus. Der dickere von beiden äffte einem farbigen Rapper nach, der andere feuerte ihn dabei mit Worten wie "Ey, leck misch, ey, machssu voll Spaß, wa" an. Herrlich. Leider neigte sich die Akkuleistung meines MP3-Players dem Ende zu und ich musste mir diese verbale Hirnblutung auch noch anhören.

Natürlich durfte hier auch nicht das laute Handygedudel fehlen, man will ja schließlich seinem "Bruder" die neusten Errungenschaften seines Jamba Abos für vier Euro und sechzig Zent im Monat präsentieren. Ein Traum, an dem alle Insassen des Busses teilhaben durften.

Also, liebe Mädels, die sich nichts sehnlicher wünschen, als eine klitzekleine-dutzidutzi-Familie: denkt noch mal ganz genau darüber nach.